Die Glasverarbeitung Maltitz GmbH (auch Glaswerk Maltitz; kurz GVG Maltitz) war ein Glaswerk für Flachglas in der thüringischen Kleinstadt Lucka. Besonders hierbei war der Standort inmitten des Dreiländerecks zwischen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, weshalb sich das namensgebende Dorf Maltitz entgegen der Meldeanschrift nicht in Lucka, sondern in der sächsischen Stadt Groitzsch befindet. 1998 waren im Betrieb 123 Menschen angestellt. [13]
Geschichte
Das früher beim volkseigenen Betrieb (VEB) Flachglaskombinat Torgau unter dem Namen „Betriebsteil Maltitz“ geführte Werk lag unmittelbar vor den Füßen des ehemaligen Tagebaus Phönix-Nord (1962–1968). Das Firmengelände wurde von 1962–1968 in Teilen als Tagesanlagen für den angrenzenden Tagebau genutzt [6], nach der vorzeitigen Stilllegung des Tagebaus im Jahr 1968 wurden Fabrikhallen dazu gebaut und das Gelände dem Flachglaskombinat Torgau aus volkswirtschaftlichen Gründen zu einem Preis von 2,7 Millionen D-Mark (brutto) übergeben. [14] Am 27. Mai 1968 stellte die VVB Bauglas Dresden einen entsprechenden Antrag auf ein Standortgenehmigungsverfahren bei den zuständigen Kreisplankommissionen Altenburg, Zeitz und Borna. [15] Am 1. August 1968 wurde in Maltitz feierlich die erste Thermoscheibe produziert. In früheren Tagebau-Karten ist das Gelände bereits als Anlage ausgewiesen, der damals eingezeichnete Gebäudekomplex steht weitestgehend immer noch. Einzelne Gebäude sind dem Verfall zum Opfer gefallen, andere wurden abgerissen. Die „Halde Phönix-Nord“ grenzt direkt an das ehemalige Firmengelände und ist heutzutage ein Naturschutzgebiet mit einer Vielfalt an Lebensräumen. [7]
Am 14. Mai 1968 wurde bei der SED-Parteileitung von „Genosse“ und Werkdirektor Riedel beantragt, als Betriebsleiter für den Standort Maltitz den „Genossen“ Helmut Patzschke (* 2. Dezember 1936 in Holzweißig) zu bestätigen. Patzschke war zuvor im Braunkohlewerk Zipsendorf (Meuselwitz) tätig und war Teil des Tagebaus Phönix-Mumsdorf. Er trat 1961 der SED bei und besuchte zwischen 1966 und 1967 die Bezirksparteischule. [14]
Nach dem Mauerfall und dem Ende der DDR wurde die Glasverarbeitung Maltitz GmbH (bis 22. Januar 1993 unter der Abkürzung GLAVEMA) am 31. Mai 1990 aus dem VEB Flachglaskombinat Torgau-„Maltitz“ heraus mit einem Stammkapital von 8 Millionen D-Mark übernommen und beim Amtsgericht Leipzig [1] eingetragen. Als Geschäftsführer wurde Dr. Lutz Seifert festgehalten. Am 30. November 1992 beschloss die Gesellschafterversammlung die Neufestsetzung des Stammkapitals auf 50 Tsd. D-Mark, parallel dazu wurde die Gesellschaftssatzung komplett neu gefasst. Später ging der Eintrag, auch wegen der gesonderten Grenzsituation, in das Amtsgericht Jena [2] über. Die GVG Maltitz unterstand seit mindestens dem 14. November 2002 mit einem Beschluss der Gesellschafterversammlung der Saint-Gobain Deutsche Glass Deutschland GmbH (Aachen). Interessant hierbei ist, dass bereits im Jahr 1999 ein Brief der Vetrotech Saint-Gobain an die GVG Maltitz versandt wurde, in welchem von „unserem Unternehmen“ die Rede ist. [3] Am 21. Juni 2000 wurde Dr. Lutz Seifert von Bernd Hartmann (* 31. Januar 1944, Hartenstein) als Geschäftsführer abgelöst. Am 28. April 2005 wurde dieser von Uwe Walter (* 13. Dezember 1950, Rothenburg) abgelöst. Der letzte im Register eingetragene Geschäftsführer war Tom Hagemann (* 6. November 1966, Staig), welcher bereits am 19. Juli 2005 eine Prokura für das Unternehmen bekam.
Grenzsituation
Zu welcher Stadt das Gelände damals gehörte ist abschließend nicht geklärt; das Gelände liegt bei der Stadt Lucka in der Gemarkung Prößdorf [17], welches bis 1994 eine eigenständige Gemeinde war. Der Namensgeber Maltitz war bis 1948 eigenständig, bis 1973 Teil der Gemeinde Michelwitz und bis 1996 Teil der Gemeinde Auligk (alle eingemeindet nach Groitzsch). Auch der per Luftlinie am nächsten gelegene Ort Langendorf (jetzt Ortsteil von Elsteraue) war bis 2003 eine eigenständige Gemeinde. Der Schriftverkehr ging jedoch schon 1969 über eine Postfachanschrift in Lucka, was indiziert, dass der eigentliche Standort keiner richtigen Anschrift zugeordnet werden konnte. [14] Im Handelsregister hingegen wurde Maltitz als Firmensitz angegeben, welches zum Eintragungszeitpunkt der Gemeinde Michelwitz angehörte.
Kunden / Produktion
Das Glaswerk war vor allem im Bereich von Flach- und Sicherheitsglas tätig und war unter anderem an der Glasfassade des Berliner Hauptbahnhofes (2006) [4] sowie an der Fassade des Kongress-Zentrums in Dresden (2004) [5] beteiligt. Weitere Kunden befanden sich vor allem in der regionalen Umgebung, wie zum Beispiel im Landkreis Altenburger Land, Landkreis Zwickauer Land (seit 2008 Landkreis Zwickau), Burgenlandkreis (2007 mit dem Landkreis Weißenfels verschmolzen) und dem Landkreis Leipzig-Land (seit 2008 Kreis Leipzig). Zuvor waren die Bestandskunden vom VEB Torgau vor allem in Wolgast, Löcknitz und Klingenthal. [16] Die Produktpalette erstreckte sich vor allem auf SEKURIT-Glas für Türen und Fenster, für Glaskonstruktionen sowie Glas für Innentüren. Darüber hinaus wurde EMALIT-Glas für Brüstungen hergestellt. In Maltitz wurden des Weiteren Innovationen der Saint-Gobain wie zum Beispiel CLIMAPLUS, CONTRASOL und TRISTAR produziert. [13]
Heutige Situation
Das seit 2007 verlassene Firmengelände, welches aufgrund des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Thüringen, dem Freistaat Sachsen und dem Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2013 [8] vollständig dem Freistaat Thüringen überschrieben wurde, sollte ursprünglich zu einer Müllverbrennungsanlage umfunktioniert werden. Dagegen gab es jedoch einen großen Bürgeraufstand und viele Proteste [9], weshalb sich schließlich auch der Gemeinderat der Gemeinde Elsteraue (Sachsen-Anhalt), auf dessen Gemeindegebiet sich das Gelände damals noch teilweise befand (2009), gegen die Bauvorhaben aussprach. Die Industriebrache verfällt seit jeher und wird nicht mehr genutzt. Auch jegliche Bemühungen der Stadt Lucka, zumindest das Dreiländereck mit dem Dreiherrenstein touristisch attraktiv zu gestalten, blieben ohne Erfolg aus. [10] Der Dreiherrenstein [11] steht auf der heutigen Grenze zwischen den drei Bundesländern auf dem vorderen Gelände der GVG Maltitz und ist rein rechtlich nicht frei zugänglich.
Die Besitzverhältnisse sind bis heute nicht abschließend geklärt. Die beim Handelsregister Jena geführte Glasverarbeitung Maltitz GmbH ging in die vandaglas GmbH beim Amtsgericht Dresden (bis 2021 Saint-Gobain Glassolutions Objekt-Center GmbH; besser bekannt als Glaswerk Radeburg) [12] über. Die Saint-Gobain Deutschland als Muttergesellschaft des Betriebsteil Maltitz wurde hierbei nicht mehr erwähnt.
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Trivia
GVG Maltitz – Glasverarbeitung Maltitz GmbH
Auf Freiem Feld 1
04613 Lucka (vor der Postleitzahlreform 7403)
Tel.: 00 34296 4760
Fax: 00 34296 476701
(interessant hierbei ist, dass sich die Anschrift im thüringischen Lucka befindet, die Telefon- und Faxvorwahl jedoch zur sächsischen Stadt Groitzsch bei Pegau gehört)
Satellitenbilder vom Gelände (2000-2023)
Die Männer hinter dem Fall Maltitz
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Quellennachweise
[1] Amtsgericht Leipzig HRB 1960
[2] Amtsgericht Jena HRB 204220
[3] entsprechender interner Schriftverkehr liegt vor, Halle an der Saale, April 2023
[4] Baunetzwissen: https://www.baunetzwissen.de/glas/objekte/verkehr/eingangsfassaden-des-berliner-hauptbahnhofes-71592
[5] Fachmagazin für Architekten: https://www.bba-online.de/fassaden/durch-und-durch-transparent/#slider-intro-1
[6] Säschsisches Staatsarchiv Freiberg – Bergbehörde Borna: https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?guid=515691d5-63d9-4236-b682-28e87d1313ce
[7] Gemeinde Elsteraue: https://www.gemeinde-elsteraue.de/de/aktuelles/phoenix-nord-wird-zur-weide.html
[8] Landtag Sachsen-Anhalt: https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/drs/wp6/drs/d2606vbe.pdf
[9] Mitteldeutsche Zeitung: https://www.mz.de/lokal/zeitz/schlangenbiss-statt-nadelstich-2465888
[10] Stadt Lucka: https://www.lucka.de/amtsblatt/amtsblatt-2013/81-amtsblatt-01-2013/file
[11] Mitteldeutsche Zeitung: https://www.mz.de/lokal/zeitz/zeremonie-am-dreilandereck-2849614
[12] Amtsgericht Dresden HRB 34697
[13] Horst Möller: Saint-Gobain in Deutschland: Von 1853 bis zur Gegenwart. Geschichte eines europäischen Unternehmen, 1. Auflage. C. H. Beck Verlag, München 2001, ISBN 978-3406467721, Seite 197
[14] Sächsisches Staatsarchiv Leipzig – VEB Flachglaskombinat Torgau: https://www.archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?guid=9699d97c-fd83-4864-8e19-3ec2a4af3da2
[15] Sächsisches Staatsarchiv Leipzig – Büro für Territorialplanung bei der Bezirksplankommision Leipzig: https://www.archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?guid=b0ecf9fc-25c6-424b-a8f4-a29f98d80e04
[16] Sächsisches Staatsarchiv Leipzig – VEB Flachglaskombinat Torgau: https://www.archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?guid=9e396751-ac29-4735-8f97-ff57e1e66127
[17] Amtsgericht Altenburg – Grundbuchamt: Grundbuch von Prößdorf, Blatt 171